Digital Detox im Unternehmenskontext klingt erst einmal widersprüchlich. War nicht lange Zeit alles darauf ausgelegt, die Digitalisierung voranzutreiben, die Technik auf dem neuesten Stand zu halten und jederzeit vernetzt zu sein? Tatsächlich ist das so – und wie üblich macht die Dosis das Gift. Digital Detox ist kein Widerspruch zur Digitalisierung, sondern die logische Folge.
Die wichtigsten Informationen zu Digital Detox im Unternehmen
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Digital Detox beschreibt eine längere Pause von digitalen Geräten, Social Media, Messengern und anderen digitalen Optionen.
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In einem Unternehmen, in dem viel mit digitalen Geräten gearbeitet wird, ist eine solche Pause nur schwer möglich.
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Dennoch gibt es Vorgehensweisen und Strategien, die die Dauerbelastung durch die immerwährende Erreichbarkeit einschränken.
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Es ist Sache des Unternehmens, eine klare Trennung von Freizeit und Arbeitszeit einzuhalten.
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Unternehmen können und sollten die Nutzung sozialer Netzwerke während der Arbeitszeit untersagen, soweit sie nicht für die Arbeit selbst nötig sind.
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Bestimmte Zeiteinteilungen, Straffung der Meetings und eine Verschlankung des Angebots an Apps und Programmen kann die dauernden Unterbrechungen im Tagesablauf minimieren.
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Arbeitgeber können eine Unternehmenskultur schaffen, in der es Räume und Zeiten ohne Handynutzung gibt. So können Kolleg:innen miteinander interagieren und sich in den Pausen offline erholen.
Definition: Was genau ist Digital Detox?
Digital Detox beschreibt eine Entgiftung von digitalen Geräten und Angeboten. Deaktiviert jemand für eine Weile seine Accounts in den sozialen Medien, ist das Digital Detox. Auch das Ausschalten des Smartphones über das Wochenende oder für den Urlaub gehört dazu.
Sie besinnen sich zurück auf das, was wichtig ist: Das Hier und Jetzt, die Menschen, mit denen Sie zusammen sind. Die Entgiftung vom Online-Leben hält Mails, Messages, Notifications und Reaktionen in Social Media von uns fern. Für viele Menschen wirkt diese Entscheidung entschleunigend. Sie rückt das Online- und das Offline-Leben wieder in ein gesünderes Verhältnis.
Warum Digital Detox im Unternehmen?
Menschen, die den ganzen Tag am Rechner arbeiten, können nicht einfach ihr Arbeitstelefon ausstellen und die Internetverbindung kappen. Hier ist Digital Detox also komplizierter, es funktioniert aber trotzdem. Das muss es auch, denn die schnell fortschreitende Technik geht nicht nur mit Segnungen einher: Als das Internet sich weit verbreitet hatte und die meisten Menschen Smartphones besaßen, haben die Millennials sich den modernen Gegebenheiten angepasst. Für sie war das sogenannte Work-Life-Blending normal – das Verschwimmen von Job und Freizeit.
Sie waren bereit, für Freizeit tagsüber auch abends oder am Wochenende zu arbeiten. Die Smartphones und günstigen Verträge für Telefonie und Internet sorgten für eine andauernde Erreichbarkeit. Einerseits stieg so die Flexibilität der Arbeit, andererseits war Abschalten kaum mehr möglich. Schon die Angehörigen der Generation Z ordneten daher ihre Prioritäten neu: Für sie ist die strikte Trennung von Arbeit und Freizeit wünschenswert. Das liegt daran, dass sie die negativen Auswirkungen der andauernden Erreichbarkeit kennen.
Gesundheitliche Beeinträchtigungen durch digitale Technologien
Durch die Dauernutzung digitaler Medien setzen wir uns zahlreichen Reizen aus. Das führt zu negativen Auswirkungen:
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Wir werden immerzu abgelenkt – sei es, weil sich ein Messenger meldet, weil der Rechner uns eine E-Mail anzeigt oder weil wir beim Öffnen eines neuen Tabs eine interessante Schlagzeile sehen und kurz den Fokus verlieren. Diese kleinen Unterbrechungen sind die größten Zeitfresser im Arbeitsalltag. Wir brauchen jedes Mal mehrere Minuten, bis wir uns wieder konzentriert in die Aufgabe versenken können. Das ist anstrengend, die Arbeit leidet darunter – und damit auch unsere Zufriedenheit.
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Wir versuchen stets, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu bearbeiten, wodurch alle zu kurz kommen und unser Stresslevel ansteigt.
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In unserer Freizeit erhalten und lesen wir Nachrichten von der Arbeit und machen uns Gedanken darüber, sodass wir uns nicht richtig entspannen können.
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Gleichzeitig steigt die Angst, etwas zu verpassen, wenn wir das Smartphone weglegen – wir können eine Abhängigkeit entwickeln.
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Durch die überwiegend digital stattfindende Kommunikation bei der Arbeit leidet für einige Menschen das soziale Miteinander.
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Die dauerhafte Reizüberflutung führt bei einigen Menschen zu Schlafproblemen, die ihrerseits in Ermüdung und Anspannung resultieren.
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Dauerhafte Stressreaktionen, die das Herz-Kreislauf-System belasten, sind möglich.
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Durch die Spuren, die wir online (etwa beim Login und Logout am Arbeitsrechner und in den genutzten Programmen) hinterlassen, kann unsere Arbeitsweise überwacht werden – manche Menschen setzt das sehr stark unter Druck.
Der Stress, der durch die Kombination der genannten Punkte entsteht, kann bis hin zum Burnout führen – und der kann, je nach Schwere, mit einer Depression einhergehen und lange Ausfälle mit sich bringen.
Die Arbeit online kann auch ganz konkrete physische Auswirkungen haben: Sitzen wir zu lange, ohne uns zu bewegen, kann das zu Haltungsschäden, Verspannungen, Rücken- und Kopfschmerzen führen.
All das sind negative Auswirkungen der Technologien, mit denen wir uns jeden Tag umgeben und mit denen wir arbeiten. Digital Detox kann diesen Risiken entgegenwirken.
Verschiedene Ansätze für Digital Detox im Unternehmen
Die Gefahren durch die permanente Erreichbarkeit sind Arbeitgebern inzwischen bewusst geworden – auch deshalb, weil viele der jüngeren Fachkräfte darüber Bescheid wissen und auf Schutz pochen. Da sie auf dem Arbeitsmarkt am längeren Hebel sitzen, sind Unternehmer:innen gezwungen, sich ihre Gedanken zu machen.
Ironischerweise waren es einige der Online-Giganten wie SAP und Google, die die ersten Achtsamkeitstrainer:innen für ihr Belegschaften einstellten. Diese helfen den Mitarbeitenden bei der Umsetzung eines low digital-Lifestyles und beim Fokussieren. In weniger großen Unternehmen gibt es allerdings noch verschiedene Konzepte und Ansätze. Es gibt bestimmte Richtlinien, mit deren Hilfe Auszeiten für die Mitarbeiter:innen von den digitalen Geräten und von der immerwährenden Erreichbarkeit geschaffen werden sollen.
Zeiteinteilung
Bei diesem Konzept sind die Angestellten selbst gefragt, dass sie bestimmte Zeiten einhalten, in denen sie sich ausschließlich auf die aktuelle Aufgabe konzentrieren. Das kann beispielsweise eine halbe Stunde sein, in der weder der Blick aufs Smartphone noch der in die E-Mails erlaubt ist. Eine andere Möglichkeit ist, jeweils nach einer abgeschlossenen Aufgabe nachzusehen, ob Nachrichten gekommen sind.
Sinn der Sache ist, dass die Angestellten nicht mitten im Gedanken von einer Nachricht gestört werden, sie „nur kurz“ beantworten, ihren Fokus verlieren und für die Aufgabe viel länger brauchen, als eigentlich notwendig wäre. Selbst wenn die Aufgabe an sich länger dauert, soll der Gedanke, dass man immerhin alle halbe Stunde einmal nach Mails schauen kann, beruhigend wirken und die Konzentration fördern.
Klare Regeln für Soziale Medien
Wer als Social Media Manager:in arbeitet, muss für den Job in den sozialen Medien unterwegs sein – allerdings nur auf den Accounts des Unternehmens, nicht auf den eigenen. Wer mit anderen Aufgaben befasst ist, hat während der Arbeitszeit nichts auf Facebook, Instagram, TikTok und Co. zu suchen. Das sollten Sie klar kommunizieren – idealerweise steht es im Arbeitsvertrag.
Der kurze Blick in die Accounts ist nicht nur ein immenser Zeitfresser, sondern animiert immer auch zum nächsten kurzen Blick in den Account, wenn gerade eine Interaktion stattfindet. Das ist für die Konzentration pures Gift. Sie können auf den Arbeitsgeräten die Nutzung der Seiten und Apps blockieren.
Apps und Programme
Viele Menschen finden es schwierig, eigenverantwortlich auf die Einhaltung ihrer digitalen Pausenzeiten zu achten. Ihnen helfen bestimmte Programme oder Apps weiter, die zu voreingestellten Zeiten keine Mails, Nachrichten oder auch Anrufe durchlassen.
Strikte Regelungen für den Feierabend
Unternehmen helfen ihren Mitarbeiter:innen bei der Einrichtung einer besseren Work-Life-Balance, indem sie strikte Regelungen für das Kontaktverbot nach Feierabend ausgeben. Natürlich bezieht sich das nicht auf private Kontakte zwischen befreundeten Kolleg:innen, sondern auf Kontaktaufnahme im Arbeitskontext.
Wenn also jemand aus der Teamleitung am Wochenende ein ausgeklügeltes Konzept erdacht hat, darf die Mail an die Angestellten dazu erst am Montagmorgen innerhalb der Arbeitszeiten abgeschickt werden. Andernfalls besteht das Risiko, dass die neuen Informationen die Erholung der Mitarbeiter:innen in der Freizeit beeinträchtigen.
Mittagspausen ohne digitale Geräte
Arbeitgeber können ihren Angestellten nicht vorschreiben, wie sie die Pausenzeiten zu verbringen haben. Sie können sie aber dazu anhalten und ihnen vorschlagen, dass sie einen Teil ihrer Pause mit einem Spaziergang verbringen, um etwas Bewegung und Luft zu bekommen.
So wird den Haltungsschäden und den Schmerzen durch das lange Sitzen vorgebeugt. Wer zudem noch sein Handy ausschaltet, kann einmal seinen Gedanken freien Lauf lassen.
Handyfreie Räume
Viele Unternehmen haben eine Kaffeeküche oder einen Aufenthaltsraum für Pausenzeiten. Arbeitgeber können sie als handyfreie Räume auszeichnen und so dafür sorgen, dass die Angestellten die Zeit hier nutzen, um sich mit den Kolleg:innen auszutauschen, über die Arbeit zu sprechen oder sich zu verabreden. Das ist vor allem in solchen Unternehmen hilfreich, in denen sich die Mitarbeiter:innen sonst vornehmlich in digitalen Meetings sehen.
Schulungen in Digital Detox
Arbeitgeber können Seminare, Schulungen oder Coachings für ihre Angestellten organisieren, in denen diese Strategien lernen, wie sie ihre Erreichbarkeit einschränken und ihre digitale Kommunikation bei der Arbeit und auch zu Hause straffer organisieren können.
Grundlegende Dinge gibt es dann für die Teilnehmer:innen als Hausaufgaben, etwa:
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das Abmelden von E-Mail-Newslettern
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das Ausschalten von Push-Nachrichten
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das Löschen ungenutzter Apps
Wichtig: Es ist immer ein gutes Zeichen, wenn die Führungskräfte sich an die erlernten Vorgehensweisen halten, sodass sie den Mitarbeiter:innen ein gutes Vorbild geben.
Das Thema im Fokus behalten
Informieren Sie Ihre Angestellten in einem Coaching über die schwerwiegenden gesundheitlichen physischen und psychischen Auswirkungen der digitalen Überlastung. Ermuntern Sie sie zu Diskussionen über das Thema und dazu, gute Tipps untereinander auszutauschen. Auch Digital-Detox-Challenges sind möglich – vielleicht haben die Kolleg:innen ja Lust, an bestimmten Tagen auf die Sozialen Medien zu verzichten.
Eine Person im Unternehmen sollte zudem als Anlaufstelle bei Problemen mit Stress bekannt sein – für diesen Posten sind allerdings einschlägige Coachings oder Schulungen nötig. So verdeutlichen Sie, dass Sie das Thema ernst nehmen und jederzeit zu Hilfestellung bereit sind.
Digitale Fallen identifizieren und ausschalten
Vor allem im Rahmen der Pandemie haben Unternehmen verstärkt auf Kommunikationsmethoden gesetzt, die es vorher nicht gab. Es galt, möglichst schnell Kanäle zu eröffnen, die die Zusammenarbeit auch über Entfernung hinweg ermöglichen. Viele Unternehmen haben aber seitdem ein Überangebot an Kommunikationsmethoden. Laufend kann es hier ein Geräusch geben oder dort ein kleines Fenster aufpoppen – immer wieder wird die Aufmerksamkeit auf einen anderen Kanal gelenkt, immer wieder verliert die angeschriebene Person den Fokus.
Um diese unnötige Arbeitserschwernis auszuschalten, sollten Sie eine Bestandsaufnahme durchführen:
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Welche Kanäle werden gerade genutzt?
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Was davon ist eigentlich überflüssig, weil der Funktionsumfang gleich ist?
Entscheiden Sie sich für die notwendigen Optionen und weisen Sie Ihre Mitarbeiter:innen an, alle anderen Messenger und Programme zu deinstallieren.
Meetings straffen
Der absolut überwiegende Teil der Meetings in Unternehmen ist überflüssig. Ja, speziell in remote arbeitenden Teams ist es wichtig, dass man sich gegenseitig auf dem neuesten Stand hält und auch kurz die Gesichter der anderen im Videocall sieht. Es ist aber ein schmaler Grat zwischen zu viel und zu wenig.
Legen Sie für alle Meetings eine zeitliche Höchstgrenze fest. Beschränken Sie auch die Zeit der einzelnen Redebeiträge, sodass alle wissen, dass sie sich kurzfassen müssen. Streichen Sie tägliche Teammeetings, wenn sie nicht unbedingt nötig sind.
Diese Termine, die den Arbeitsalltag durchbrechen, stören den Flow sehr: Oft müssen Sie eine Aufgabe dafür unterbrechen oder Sie haben Leerlauf, weil Sie gerade etwas beendet haben und vor dem Meeting nichts Neues mehr anfangen möchten. Danach checkt Sie erst kurz die Mails oder machen sich Notizen. Bis Sie die Aufgabe wieder aufnehmen, ist viel wertvolle Zeit vergangen.
Fazit: Digital Detox im Unternehmen – die abgespeckte Version
Auf den Laptop, den Rechner, das Tablet, das Arbeitshandy kann in einem modernen Unternehmen niemand verzichten – ebenso wenig wie auf Apps, die die Arbeit erleichtern, straffen oder überhaupt erst möglich machen. Entsprechend ist das, was Digital Detox im Unternehmen genannt wird, nicht wirklich eine Entgiftungskur von den digitalen Geräten.
Die Maßnahmen, die Sie im Unternehmen ergreifen können, sind solche für den überlegten Einsatz der Technik: Durch Verschlankung des Überangebots, durch ein Social-Media-Verbot, durch wohlüberlegte Zeiteinteilung und durch Blocken von Nachrichten oder Anrufen sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter:innen sich so gut wie möglich auf ihre Aufgaben konzentrieren können.
Wichtig sind auch die Pausen, die idealerweise nicht am Rechner oder mit dem Handy in der Hand verbracht werden sollten. Gespräche und Interaktionen mit den Kolleg:innen, vielleicht ein gemeinsames Essen gehen oder ein Spaziergang helfen beim Abschalten während der Pausen und heben die Stimmung. Schaffen Sie also nach Möglichkeit eine Arbeitsumgebung, in der derartige Verhaltensmuster gefördert werden, und sorgen Sie dafür, dass Feierabend tatsächlich Feierabend heißt.